Der Schachautomat by Robert Löhr

Der Schachautomat by Robert Löhr

Autor:Robert Löhr [Löhr, Robert]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783492950602
Herausgeber: Piper ebooks


Wien

Der Sicherheit halber reiste Tibor im Innern der Schachmaschine. Jakob hatte gegen diesen unmenschlichen Transport aufbegehrt, aber Kempelen erinnerte ihn daran, daß Tibor nur sicher war, solange auch das Geheimnis des Türken sicher war. Der Zwerg fügte sich in sein Schicksal und bat lediglich um ausreichend Wasser, um die Fahrt in der hochsommerlichen Hitze zu überstehen. Die Luft über dem Marchfeld stand. March und Donau waren zu warmen Rinnsalen verkommen, die sich so langsam durch ihr Bett wälzten, daß man hätte meinen können, sie flössen gegen den Strom. In Abwesenheit Branislavs hatte Kempelen zwei Männer engagiert, die sie nach Wien und wieder zurück begleiten sollten – beide beritten wie Kempelen, während Jakob einmal mehr auf dem Kutschbock des Zweispänners saß. Die Schachmaschine lagerte quer dahinter. Sie war nicht verhüllt, und Jakob hatte den Verschlag zur Seite gebunden, so daß der Türke gewissermaßen über Jakobs Schulter auf die Straße sah.

Ein milchiger Schleier lag auf dem Himmel. Das diffuse Licht der Sonne hob jede Tiefe auf, und da kein Windhauch Gräser und Laub rührte, glich die Landschaft einem verstaubten Gemälde.

Sie hatten Preßburg eine Stunde hinter sich gelassen, als sie von Reitern im Galopp eingeholt wurden: János Baron Andrássy auf seinem Araber, zur einen Seite sein Korporal Béla Dessewffy, zur anderen György Karacsay, ein Lieutenant aus Andrássys Regiment. Die drei Husaren ritten an Kempelens Troß vorbei und wendeten dann ihre Pferde, so daß Andrássy und Kempelen einander von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden.

»Baron«, begrüßte ihn Kempelen.

»Ritter«, erwiderte Andrássy, »flieht Ihr die Stadt?«

»Aber nein«, sagte Kempelen. Seine beiden Männer hatten den Wagen umrundet und wachsam neben Kempelen Aufstellung genommen. »Ich folge einer Einladung Ihrer Majestät.«

Der Baron hob eine Augenbraue, um seine Anerkennung auszudrücken. »Aber ich lasse Euch nicht fort, bevor Ihr nicht Eure Schulden beglichen habt.«

Andrássy öffnete seine Satteltasche und zog eine flache Kassette heraus, die er öffnete. Im Innern befanden sich, in grünem Filz eingeschlagen, zwei Pistolen.

Andrássy sah sich um: Die Reichsstraße war von Wiesen gesäumt, die ein paar vereinzelte Bäume zierten. »Ich könnte mir keinen geeigneteren Ort vorstellen. Obacht, sie ist bereits geladen.« Er reichte Kempelen eine Pistole, Knauf voran.

Kempelen nahm die angebotene Pistole nicht. Er hielt seine Hände auf dem Sattel. Die beiden Männer Kempelens wurden nervös, und als ob sie die Unruhe spürten, begannen auch ihre Pferde zu tänzeln. Lieutenant Karacsay ritt an sie heran und sagte ihnen etwas, worauf die Männer – nach einem Seitenblick zu Kempelen – im Trab in die Richtung zurückritten, aus der sie gekommen waren. Jakob sah ihnen fassungslos nach.

»Oder bevorzugt Ihr den Säbel?« fragte Andrássy. »Béla wird mein Sekundant sein, Euer Gehilfe soll mir als der Eure recht sein.«

»Ich werde mir nicht mit Euch den Schädel einschlagen, Baron. Dafür ist mir unser beider Leben zu lieb. Ich habe mit dem Tod Eurer Schwester nichts zu schaffen, bei Gott und allen Heiligen.«

»Aber Eure Maschine.«

»Auch die nicht. Wenn sie aber eines Tages in der Lage sein wird, eine Pistole zu halten oder den Säbel zu führen, dann werde ich bei Euch vorsprechen, und Ihr dürft Euch mit ihr duellieren.



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